„Wenn jedes Auto ein E-Auto wäre, bräuchten wir 20 bis 30 Prozent mehr Strom in Deutschland.“
(Marie-Luise Wolff BDEW)

Die Autoindustrie fährt total auf Elektroautos ab. Die Zahl zugelassener Elektrofahrzeuge steigt stetig. Es ist Zeit, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, wie nachhaltig diese Fahrzeuge im Lebenszyklus sind.

Ist die Rede von der Klimaneutralität von Elektrofahrzeugen so bezieht sich das überwiegend auf den Betrieb. So lange allerdings der Strom in Deutschland noch überwiegend aus fossiler Energie gewonnen wird, sind Zweifel am emissionsfreien Fahren angebracht. Die diesbezügliche, zumindest indirekte, Ökobilanz fällt momentan somit nicht durchweg positiv aus. Mit der Stromgewinnung durch erneuerbare Energie wird sich die Ökobilanz allerdings verbessern. Da die Produktion von E-Autos allerdings sehr schnell fortschreitet und sich der Umstieg auf erneuerbare Energie verzögert, ist es bis dahin noch ein langer Weg. Auch der Stromverbrauch bei der Herstellung der Fahrzeuge, d.h. vor allem der Batterien, ist sehr hoch.

Bei der Produktion muss zunächst betrachtet werden, welche Rohstoffe zur Herstellung von Elektrofahrzeugen benötigt werden. Zur Herstellung der Batterien für Elektroautos, wie übrigens auch für Computer, Tablets und Smartphones, werden vor allem Lithium, seltene Erden und Kobalt benötigt. Lithium wird überwiegend in Südamerika gewonnen, und zwar in einer riesigen Salzwüste, als Lithiumdreieck bezeichnet, die zu Bolivien, Argentinien und Chile gehört. Die Atacamawüste gehört überwiegend zu Chile.Etwa 40% des Lithiums Südamerikas werden dort gewonnen (dies erklärt auch den Besuch von Olaf Scholz kürzlich).

Um Lithium zu gewinnen werden zunächst riesige Salzwasserbecken durch Verdunstung in der Hitze ausgetrocknet. Die chemische Herstellung erfordert einen hohen Wasserverbrauch, was mittlerweile zu einem Absinken des Grundwasserspiegels führt mit der Folge, dass die am Rande der Wüste lebenden Menschen kaum Landwirtschaft betreiben können. Der gesamte Gewinnungsprozess ist eine staubige Angelegenheit und führt bereits heute zu klimatischen Veränderungen. Der aufwendige Transport des gewonnenen Lithiums in die Verbraucherländer darf unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht außer Acht gelassen werden.

Mittlerweile wird nach neuen Lithiumquellen, auch in Deutschland, gesucht. Neue Technologien werden entwickelt, um den Verbrauch von Lithium und anderen Mineralien zu verringern. Dazu gehört die Gewinnung von Kobalt, das überwiegend in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen wird. Das wirft menschenrechtliche Fragen auf. Zur Produktion der Batterien werden somit wertvolle Rohstoffe benötigt, die sowohl unter ökologisch als auch unter ethisch schwierigen und z.T. fragwürdigen Bedingungen gewonnen werden.

Interessant ist, dass derzeit bei der Herstellung eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor wohl durchschnittlich fünf bis sieben Tonnen an Treibhausgasen frei werden, bei Elektroautos sind es zehn bis zwölf Tonnen. Weiterhin sind viele Fragen im Zusammenhang mit der Entsorgung von Elektrofahrzeugen offen.

Die Herstellung von E-Fahrzeugen benötigt weniger Arbeitskräfte als die Produktion von herkömmlichen Fahrzeugen. Die Produktion der im Mittelpunkt stehenden Batterien erfolgt momentan im Ausland (China) und würde auch bei uns wenig Arbeitsplätze schaffen. Den vorliegenden Statistiken zufolge, werden bis 2030 zwischen 150.000 und 200.00 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie nicht mehr gebraucht. Da sind enorme Transformationsanstrengungen sowohl hin zur Elektromobilität als auch zu andern Industriezweigen erforderlich, da neue Berufsbilder entstehen.

Studien beschäftigen sich mit dem sog. Rebound Effekt. Damit ist gemeint, dass etwas letztlich zum Gegenteil des ursprünglich mit der Maßnahme Beabsichtigten führt. In diesem Fall wäre die Annahme: Der Konsument nutzt das E-Auto, das er als umweltfreundlich empfindet und für das er relativ viel Geld ausgegeben hat, öfter, als er seinen konventionellen Pkw nutzen würde. Statt Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr bewegt er sich öfter mit dem E-Fahrzeug fort. Erstaunlich ist auch, dass der Anteil von E-SUVs mit einem Marktanteil von  fast 60% in Europa überdurchschnittlich hoch ist.

Einer neuen Studie der Fraunhofer Gesellschaft zufolge, die auf dem durchschnittlichen Lebenszyklus eines Autos beruht, sind Elektrofahrzeuge insgesamt bereits jetzt  die wirtschaftlichste und energieeffizienteste der aktuell zur Verfügung stehenden (motorisierten) Antriebsformen. Die Produktion und auch die Entsorgung sind aber nach wie vor verhältnismäßig kritisch zu sehen. Der kritische Verbrauch von endlichen Rohstoffen, Mineralien und Metallen ist sehr hoch und ebenfalls als kritisch einzuschätzen.

Zusammenfassend kann also gesagt werden: In der Regel fällt der Ökobilanz-Vergleich zwischen Elektroauto und Modellen mit anderen Antriebsvarianten also zugunsten der mit Strom betriebenen Fahrzeuge aus. Das heißt aber nicht, dass etliche Probleme bei der Produktion und der Entsorgung bestehen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Zeiger einer positiven Ökobilanz im Lebenszyklus eines Elektrofahrzeugs wirklich „auf Grün“ springt.

Autor: Lutz M. Büchner

Fotos: Lutz Büchner, malp/adobe stock