„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse aber nicht für jedermanns Gier“(Mahatma Gandhi)

In dieser Kolumne beschäftige ich mich mit einem Phänomen, das in der Öffentlichkeit nur wenig diskutiert wird, aber global gesehen sehr viel mehr Beachtung verdient – dem sogenannten „Landraub“.

Was ist das überhaupt? Warum und wo werden Ländereien „geraubt“? Wer sind die „Täter“, wer die „Opfer“? Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun und warum sollte uns das interessieren?

Die Ressource Land ist endlich und damit ein Spekulationsobjekt. Der globale Norden konsumiert mehr als er flächenmäßig anbauen kann. Ackerland fehlt zum Beispiel für die europäische Fleischproduktion, die auf enorme Mengen Kraftfutter für die Tiere angewiesen ist.

Riesige landwirtschaftliche Flächen weltweit, selbst in Europa, einer Schätzung zufolge eine Fläche, die mehr als achtmal so groß ist wie Großbritannien, werden exklusiv, größtenteils von Staaten (z.B. Arabische Staaten, China, Indien), und internationalen Konzernen (z.B. Investmentfonds, Banken, Unternehmen) entweder gekauft oder langfristig gepachtet.

Allein in Afrika sind dies nahezu 100 Millionen Hektar. Energiepflanzen (Soja, Raps, Ölpalmen, Zuckerrohr) und Nahrungsmittel (Soja, Reis) sind mit Abstand die häufigsten Nutzungsarten der „geraubten“ Flächen, aber auch z.B. Rosen und Holz. Allem ist eines gemeinsam: die bewirtschafteten Flächen gehen zu Lasten des ursprünglichen Landes, es entstehen Monokulturen und – es dient den Industrieländern zu Lasten der Herkunftsländer und ihrer Bewohner. Oft wird auch vom Kolonialismus des 21. Jahrhunderts gesprochen.

Warum man von „Landraub“ spricht erklärt sich damit, dass die bewirtschafteten Flächen “jemandem“, in der Regel Kleinbauern, gehören (gehört haben). Sie werden von den Investoren oft mit Billigung (oft korrupter) Regierungen und teilweise gewaltsam von ihrem angestammten Land vertrieben. Da es in diesen Ländern keine Grundbücher wie bei uns gibt, sondern das Land nur gewohnheitsrechtlich geschützt ist, haben sie häufig keine Rechtsmittel, um sich gegen die Landnahme zur Wehr zu setzen. Anstatt ihrer kleinbäuerlichen Landnutzung nachgehen zu können, dienen sie, wenn überhaupt, den ausländischen Investoren als abhängige und billige Arbeitskräfte. Diese sozialen Folgen der Landnahme kann nur durch die Stärkung der Rechte der Landbesitzer erreicht werden. Bescheidene Ansätze gibt es wohl. Initiativen der Vereinten Nationen versuchen dies.

Nun kann man argumentieren, dass die Nahrungsmittelknappheit bei mehr als 8 Milliarden Weltbürgern die Zunahme von Agrarflächen und die agrarwirtschaftliche Effektivität erforderlich machen. Sind derartige Agrarinvestitionen unvermeidbar? Bringen sie uns der Lösung des globalen Ernährungsproblems näher? Das wäre sicherlich dann der Fall, wenn die Früchte des landwirtschaftlichen Engagements überwiegend denjenigen zugute kommen würden, die sie benötigen. Die Investoren exportieren aber die Produktionen überwiegend in ihre Heimatländer. Die Bewohner in den meist Entwicklungsländer mit Hungerproblemen verlieren ihr Land, Arbeitsplätze werden nur in geringem Umfang geschaffen und die Ernährungsprobleme bleiben bestehen.

Der massive Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger der Investoren  gelangen in Grundwasser und  Flüsse und gehen häufig zu Lasten der Artenvielfalt. Es entstehen riesige Monokulturen. Allerdings können durch intelligente, allerdings teure, Investitionen ökologisch auch positive Aspekte erzielt werden.

Eine weitere dramatische Folge des Landgrabbing ist die zunehmende Abhängigkeit der unterentwickelten Zielländer von Lebensmittelimporten (die z.T. auch noch subventioniert werden) und damit die zunehmende Verschuldung der Staaten. Ein Großteil der angebauten Produkte wird exportiert und die Einheimischen werden zurückgedrängt.

Für uns als Verbraucher ist dieses Phänomen ein Grund mehr, beim Einkauf auf die Regionalität der Produkte zu achten. Nicht nur ökologische Aspekte sollten bei der Auswahl unserer Lebensmittel beachtet werden, sondern auch die Frage, wer erntet sie wo und wo werden sie letztlich hergestellt. Oft führen diese Überlegungen dazu, dass wir auf Kosten der sogenannten Dritten Welt leben. Ein weiterer Beweis dafür, dass es keine „globale Gerechtigkeit“ gibt.

Das sollte uns zu denken geben.

Autor: Lutz M. Büchner

Fotos: Lutz Büchner, Idris R/unsplash