„Unseren Wohlstand können wir nicht dauerhaft in der globalen Wirtschaft auf der Ausbeutung von Menschen aufbauen“ (Hubertus Heil)

Millionen Menschen leben weltweit in Elend und Not, weil soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit missachtet werden. 79 Millionen Kinder arbeiten weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen – auch für unsere Produkte.

Deshalb wurde, nach langem Ringen, das Lieferkettengesetz geschaffen, das am 01.01.2023 in Kraft getreten ist. Ziel ist es insbesondere, den Schutz der Menschenrechte, aber auch der Umwelt in den globalen Lieferketten, zu verbessern. Das ist ein wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Geschäftsmodelle von Unternehmen.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So lautet Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10.Dezember 1948. Dem Schutz dieses Grundrechts widmet sich das Lieferkettengesetz. Unternehmen üben erheblichen Einfluss auf die weltweite Verwirklichung der Menschenrechte aus. Um die Unternehmensverantwortung zu unterstreichen und menschenrechtliche Schutzlücken im Zusammenhang mit globalen Wirtschaftsaktivitäten zu schließen, hat der UN-Menschenrechtsrat 2011 die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Um diese UN-Leitprinzipien umzusetzen, hat die Bundesregierung 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte beschlossen. Das Ziel Nr. 8 („Menschenwürdige Arbeit und Wachstum“) der Nachhaltigkeitsziele der UN schreibt das als eines bis 2030 zu erreichendes globales Ziel (von 17) fest.

Darauf baut das Lieferkettengesetz auf: Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsformen, prägen nicht nur Teile der globalen Bekleidungs- und Sportartikelindustrie, wie man bei der entsetzlichen Brandkatastrophe in der Textilfabrik Rana Plaza Bangladesch vor nahezu 10 Jahren mit mehr als 1000 Toten gesehen hat. Diese Missstände machen eine gesetzliche Regelung erforderlich. In allen Industriezweigen, auch der Lebensmittelindustrie, sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Ausbeuterische Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Sklaverei, Diskriminierung, ungerechte Arbeitsbedingungen und unfaire Löhne sowie mangelnder Arbeits- und Gesundheitsschutz sind markante Beispiele dafür, Schutzmechanismen für menschenwürdige Arbeit zu schaffen.

Das deutsche Lieferkettengesetz soll in globalen Lieferketten die Menschenrechte und den Umweltschutz stärken. Es verpflichtet Unternehmen in Deutschland zur Achtung von Menschenrechten und den dort definierten Sorgfaltspflichten. Neben den bereits genannten Pflichten werden dort noch der Schutz vor Landraub, das Recht auf Bildung von Gewerkschaften und der Schutz vor umweltrechtlichen Verstößen genannt. Diese Pflichten gelten für den eigenen Geschäftsbereich, für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Die Verantwortung der Unternehmen endet somit nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette.

Das Gesetz gilt ab 2023 für Unternehmen ab 5000, ab 2024 auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigte. Wichtig ist dabei zunächst einmal, dass die Unternehmen die Risiken in ihren Lieferketten bewerten. Ausgehend von der Risikoanalyse müssen sie eine Grundsatzerklärung veröffentlichen und Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen die Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden oder zu minimieren.

Das Gesetz wurde durch erfolgreiche Lobbyarbeit der Wirtschaft bisher entschärft. Das wird sich mit der Umsetzung eines EU-Lieferkettengesetzes möglicherweise bald ändern, wenn nicht auch dort die Lobbyisten den 2022 vorgelegten Gesetzesentwurf „entschärfen“.

In der EU ist nämlich seit 2022 eine Gesetzesvorlage in Arbeit. Die EU-Kommission hat einen Richtlinienentwurf vorgelegt. der für alle EU-Gesellschaften mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro weltweit, sowie  auch für kleinere und mittlere Unternehmen bestimmter Branchen (z.B. Leder- und Nahrungsmittel sowie im Rohstoffbereich) Anwendung findet. Das EU-Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zu fairer und nachhaltiger Wirtschaft und geht teilweise über die Bestimmungen des deutschen Gesetzes hinaus, insbesondere auch hinsichtlich der Sanktionen bei Gesetzesverstößen. Das EU-Gesetz wird bald dazu führen, dass alle 27 EU-Staaten entweder ihre bestehenden nationalen Gesetze anpassen oder entsprechende Gesetze verabschieden.

In anderen Ländern, vor allem in Frankreich, sind bereits jetzt die Regelungen strenger. Der Anwendungsbereich ist weiter, eine Verletzung der Sorgfaltspflichten kann im Schadensfall zur Haftung gegenüber Betroffenen führen. Auch drohen strafrechtliche Konsequenzen bei der Verletzung der vorgeschriebenen Pflichten.

Abzuwarten bleibt, ob das Ziel, das mit den Gesetzen verfolgt wird, nämlich, dass die Menschen in den Lieferketten, die Unternehmen, aber auch die Konsumenten davon profitieren, tatsächlich erreicht wird. Jedenfalls ist etwas in Gang gesetzt worden, das insbesondere der Ausbeutung des „Südens“ durch den „Norden“ entgegenzuwirken geeignet ist.

Autor: Lutz M. Büchner

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