Wer heute von Lebensmitteln spricht, spricht automatisch über
Moral, Ethik,Gesundheit, Haltung und Sinn“.
(Michael Schüller,Geschäftsführer des Hausgeräteherstellers ritterwerk)
Wir freuen uns, wenn Obst und Gemüse im Supermarkt preiswert (billig) ist. Geworben wird mit „Tafeltrauben aus Italien / Spanien 500 Gramm oder Avocado das Stück zu 99 Cent“. Wer macht sich da schon Gedanken, wie diese Preise zustande kommen? Was ist nachhaltiger Konsum? Darüber entscheiden die Fragen: Wie weit ist das Gemüse gereist? Welches Obst hat eigentlich Saison? Und: Ist es regional und Bio?
Der Weg vom Anbau bis zum Verbrauch ist lang. Das Geschäft mit Obst und Gemüse ist trotzdem lukrativ – zumindest für die Handelsfirmen. Es lohnt sich aber für uns Verbraucher, hinter die Kulissen zu schauen. Also darüber nachzudenken, wie man zu diesen Preisen Obst und Gemüse überhaupt anbieten kann und wie man den Kauf von Obst und Gemüse nachhaltig gestalten kann.
Michael Bilharz, Experte für nachhaltigen Konsum im Umweltbundesamt: „Wir sind es gewohnt, über das ganze Jahr fast alles Obst und Gemüse im Supermarkt vorzufinden. Brauchen wir Äpfel aus Neuseeland?“
„Es ist doch absurd, dass im Supermarkt die Bio-Äpfel aus Brandenburg oft teurer sind als Obst aus Neuseeland“, beklagt Karen Beese.
Zu Weihnachten Spargel aus dem wasserarmen Peru? Allein der Transport von Obst und Gemüse (Mango, Ananas, Bananen) aus Südamerika trägt sicher nicht dazu bei, einen guten ökologischen Fußabdruck zu gewährleisten. Avocados aus Zentralamerika sind sehr gesund und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Allerdings ist der ökologische Fußabdruck nicht so positiv. Ein Wasserverbrauch von 1000Liter pro Kilogramm und Tag, riesige Monokulturen zulasten anderer Vegetation und schlechte Arbeitsbedingungen und der Energieverbrauch beim Transport trüben das positive Bild, das wir von der Avocado haben. Deshalb kann „billiges“ Obst wie zum Beispiel Avocado sicherlich nicht als nachhaltiges Lebensmittel bezeichnet werden.
Auch Obst und Gemüse aus Europa wird oft zu Niedrigpreisen angeboten. Man fragt sich, wie die Supermarktketten kalkulieren. In der Lieferkette spielen dabei die Lieferanten der Waren eine entscheidende Rolle. In Europa sind diese überwiegend in Italien, Spanien und Griechenland angesiedelt. Es handelt sich dabei um große Konzerne, die mehr oder weniger in der Lage sind, den Preisvorgaben der Einkäufer der Handelskonzerne nachzukommen. Diese haben als Nachfrager eine derartig große Marktmacht, dass den Anbietern oft nichts anderes übrig bleibt, als den Preisvorstellungen der Handelskonzerne nachzukommen. Kleinere Firmen überleben das nicht. Die Lieferanten stehen also unter einem großen Kostendruck. Den geben sie an die Erntehelfer weiter. Der Anbau und die Ernte werden von Arbeitern verrichtet, sehr oft von Menschen aus Afrika, sehr oft von Illegalen. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal: 12 bis 14 Stunden Arbeit in sengender Hitze. Der Tagesverdienst beträgt häufig nur 35 Euro. Davon müssen noch Vermittler, Matratzenvermieter und mehr bezahlt werden. Oft wird im Akkord gearbeitet, wobei der Arbeiter 3,50Euro pro Kiste Gemüse bekommt. Die Lebensbedingungen sind zum Teil unmenschlich. Die Arbeiter unterstützen mit dem Verdienst ihre Familien in Afrika. Die Regierungen sind entweder machtlos oder wollen dieses Tun nicht unterbinden.
Selbst manche Bioware aus diesen Ländern wird unter diesen üblen Arbeitsbedingungen geerntet: ökologisch (vielleicht) hui, sozial pfui. Nachhaltigkeit beruht zumindest auf den drei Säulen ökologisch, ökonomisch, sozial.
Mein Fazit: Vom landwirtschaftlichen Konzern rund ums Mittelmeer bis in die Supermärkte gibt es viele Stationen in der Lieferkette, die es kritisch zu hinterfragen gilt. Müssen es im Winter frische Erdbeeren aus Südafrika sein? Wie können 1,5 Kilogramm Orangen aus Südafrika 1,99 Euro kosten? Ist auch bio drin, wo bio draufsteht? Unter welchen Arbeitsbedingungen wird (auch) Bioware geerntet?
Regionalen und jahreszeitgerechten Freilandtomaten, Erdbeeren, Kirschen und Pflaumen ist jedenfalls der Vorzug vor importierten Produkten zu geben. Ist auch gesünder. Bioprodukte mögen etwas teurer sein, sie sind aber nicht mit Pestiziden behandelt. Auf in Plastik verpacktes Obst und Gemüse kann man weitgehend verzichten. Und: Auch hier hilft oft ein Blick auf die Gütezeichen.
Autor: Lutz M. Büchner
Fotos: Lutz M. Büchner; Grafik: VRD/adobe stock